Ahnenforschung in Schlesien: Anleitung für die Recherche an einem Ort
Schon länger hatte ich den Wunsch, einmal Niederschlesien und den Geburtsort meiner Oma Hildegard Geckeler geborene Gottmannshausen zu besuchen: Freystadt – das heutige Kożuchów. Ende Juli 2023 war es endlich soweit.
Dem Besuch vor Ort ging eine umfangreiche Vorbereitung voraus. Ich hatte dafür in den Wochen vor Abreise zahlreiche Quellen gewälzt, um möglichst viele Informationen herauszufinden zu
- den Wohnadressen meiner Urgroßeltern
- den geographischen Gegebenheiten der Stadt heute und damals zwischen 1910 und 1945
- wichtigen Orten wie Schulen, Kirchen usw.
- weiteren Zahlen, Daten & Fakten rund um die Stadt
Dafür habe ich folgende verschiedene Quellentypen zu Rate gezogen:
- Standesamtsregister und Kirchenbücher
- Adreßbücher für den Zeitraum 1910 bis 1945
- Stadtpläne
- Fotoseiten
- alte Fotos & Postkarten
- weitere Quellen
In einer Artikelreihe möchte ich hier nun einmal beschreiben, wie ich dabei vorgegangen bin. Im ersten Teil geht es um Personenstandsregister und Adreßbücher.
Ahnenforschung in Schlesien
Meine Oma ist meines Wissens nach die einzige Person ihrer Familie bzw. meiner Vorfahren, die in Schlesien geboren wurde (August 1911). Das kam so zustande, weil mein Urgroßvater, Hugo Oswald Gottmannshausen, gebürtig aus Niederzimmern in Thüringen, in Freystadt/Niederschlesien eine Stelle als Postbeamter angenommen hatte. Da der Bruder meiner Oma, Ernst Gottmannshausen im Juni 1910 noch in Oldenburg geboren wurde – woher meine Urgroßmutter stammte – gehe ich davon aus, daß die Familie zwischen Juni 1910 und August 1911 nach Schlesien umsiedelte.
Meine erste Anlaufstelle der Wahl für Genealogie in Schlesien ist die Seite Familienforschung in Schlesien von Herrn Prof. Dr.-Ing. Claus W. Christoph
Dank der Übersichtsseite der Orte von A – L erfuhr ich, wo und für welche Zeiträume man für Freystadt evangelische, katholische und jüdische Kirchenbücher sowie Standesamtsregister zu Geburten, Heiraten und Todesfällen finden kann.
Personenstandsregister Polen online
Schon vor vielen Jahren hatte ich mich auf die Suche nach dem Geburtseintrag meiner Oma im Personenstandsregister vom Standesamt Freystadt aus dem Jahre 1911 begeben.
Für Orte im heutigen Polen hilft dabei die Internetseite Szukaj w Archivach, die die Bestände polnischer Archive zugänglich macht. Eben auch Geburtenregister aus Schlesien. Und das kostenlos.
Dort auf der Seite kann man zuallererst oben rechts beim Fahnensymbol (gilt für die Desktop-Version) die Sprache auf Deutsch umstellen. Viele Inhalte werden aber auf Polnisch bleiben. Möchte man diese Texte auf Deutsch übersetzen, empfiehlt sich die Nutzung des Chrome-Browser, mit dem man z.B. dank der Erweiterung Google Übersetzer Seiten automatisch auf Deutsch übersetzen lassen kann.
Im Bestand 89/228/0 namens Urząd Stanu Cywilnego w Kożuchowie (Standesamt von Kożuchow) wurde ich schließlich fündig. Auf der Übersichtsseite des Bestandes gibt es auch einen interessanten Infotext zum Hintergrund der Standesämter allgemein sowie des Standesamtes Freystadt im Besonderen, den man sich mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen wie Google Translate oder DeepL übersetzen kann.
Geburtenregister Niederschlesien kostenlos
Unter 89/228/0/1 finden sich die Geburtenbücher (Księgi urodzeń) Freystadt von 1874 bis (Juni) 1938, glücklicherweise als Digitalisate zum Anschauen und Herunterladen. Und das tatsächlich schon seit vielen Jahren. So hatte ich mir notiert, daß mein Erstabruf des Geburtseintrags meiner Oma von 1911 bereits im Oktober 2013(!) war.
Das Geburtenregister für 1911 ist hier geführt als Geburts-Neben-Register 1911 No. 1 bis 322 unter der Signatur 89/228/0/1/38.
Kirchenbücher Freystadt, Niederschlesien
Was (evangelische) Kirchenbücher aus Freystadt angeht, habe ich mich noch nicht weiter in die Materie vertieft. Eine famose Anlaufstelle für die Recherche nach Kirchenbüchern aus Schlesien generell ist auch hier das Findbuch von Herrn Christoph.
- Namensliste der (Kirch-)Orte von A – L: http://www.christoph-www.de/kbsilesia3.html
- Namensliste der (Kirch-)Orte von M – Z: http://www.christoph-www.de/kbsilesia4.html
Für Freystadt finden sich hier zahlreiche Hinweise zu sowohl Kirchenbüchern als auch Standesamtregistern unter http://www.christoph-www.de/kbsilesia3.html#F
Eine wertvolle Quelle: Adressbücher für Schlesien
Die schlesische Episode meiner Vorfahren umfaßte tatsächlich nur rund 30 Jahre (1910 bis 1940), und auch nur die Geburt meiner Oma fiel in diese Region. Da also wegen fehlender familiärer Ereignisse in Schlesien die Kirchenbücher und Standesamtregister nicht so interessant für mich sind, habe ich den Schwerpunkt meiner vorbereitenden Recherche auf andere Quellen gelegt.
Meine Lieblingsquelle sind historische Adreßbücher für einzelne Städte bzw. Landkreise. In diesen Büchern finden sich meist äußerst interessante Informationen zu den Gegebenheiten der Stadt, den Behörden und öffentlichen Einrichtungen, aber auch Werbeanzeigen von ortsansässigen Unternehmen und Gewerbetreibenden zur Zeit der Veröffentlichung.
Ganz besonders nützlich finde ich die Berufsangaben, die sich oft bei den Einträgen zu den Einwohnern finden. Und in vielen Adreßbüchern gibt es nicht nur ein Verzeichnis der Einwohner mit Sortierung nach Personennamen, sondern auch ein Verzeichnis der Straßen und Hausnummern, so daß man alle Einwohner eines Hauses und auch der jeweiligen Nachbarschaft nachvollziehen kann.
Eine einfache Websuche mit der Suchmaschine der Wahl und den Suchbegriffen Adressbuch Freystadt bringt schon gute Ergebnisse: z.B. bei Google oder Bing
Weitere hilfreiche Portale, um Adreßbücher aufzustöbern sind:
- Worldcat: www.worldcat.org/de/
- Europeana: www.europeana.eu/de
- Szukaj w Archiwach: www.szukajwarchiwach.gov.pl
Spezielle Adreßbuchverzeichnisse gibt es u.a. hier:
- Adreßbuch-Datenbank des Vereins für Computergenealogie (CompGen): www.adressbuecher.net/
- Martin-Opitz-Bibliothek: martin-opitz-bibliothek.de/de/sammlungen/digitale-sammlungen/adressbuecher
- Ancestry: www.ancestry.de/search/collections/60778
- Wikisource: de.wikisource.org/wiki/Adressb%C3%BCcher
Allerdings muß man bei den Ergebnissen der allgemeineren Portale meist etwas aussortieren, um Quellen für das „richtige“ Freystadt in Schlesien zu bekommen, denn es gibt noch einige andere gleichnamige Orte (z.B. in der Oberpfalz und in Westpreußen).
Speziell für Schlesien gibt es noch folgende weitere Portale, um Adressbücher aufzustöbern:
- Schlesische Digitale Bibliothek (Śląska Biblioteka Cyfrowa): www.sbc.org.pl/dlibra
- Niederschlesische Digitale Bibliothek (Dolnośląska Biblioteka Cyfrowa): www.dbc.wroc.pl/dlibra
- Digitales Niederschlesien (Cyfrowy Dolny Śląsk): jbc.jelenia-gora.pl/dlibra
- Digitale Bibliothek der Universität Breslau (Biblioteka Cyfrowa Uniwersytetu Wrocławskiego): www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra
Adressbücher für Freystadt, Niederschlesien
Zum Glück haben sich für Freystadt in Schlesien zahlreiche Adreßbücher aus dem Zeitraum 1910 bis 1945 überliefert. Ein großer Teil der vorhandenen Adreßbücher ist dabei tatsächlich digital verfügbar, und das sogar zumeist kostenlos und ohne Registrierung.
Nicht digitalisierte Bücher hatte ich leider nicht mehr rechtzeitig vor der Reise geschafft gründlich zu recherchieren, geschweige denn selbst vor Ort in einer Bibliothek einzusehen.
Folgende Adreßbücher für Freystadt, Schlesien konnte ich als Digitalisate finden:
1904: Adreßbuch für die Städte Neusalz a. O., Freystadt i. Schl., Beuthen Bez. Liegnitz, Neustädtel und Deutsch-Wartenberg
- bei Ancestry*
1922: Adressbuch der Städte des Kreises Freystadt. Neusalz, Freystadt, Beuthen, Schlawa, Neustädtel, ferner Deutsch Wartenberg
- bei Ancestry*
1927: Adreßbuch für die Städte des Kreises Freystadt (Nieder-Schlesien) : Neusalz (Oder), Freystadt (Ndr.-Schl.), Beuthen (Bez. Liegnitz), Neustädtel und Schlawa, ferner Kusser, Alttschau, Lindau und Deutschwartenberg
- bei Ancestry*
- bei der Martin-Opitz-Bibliothek
- bei der Digitalen Bibliothek von Zielona Góra/Grünberg (Zielonogórska Biblioteka Cyfrowa)
1933: Adreßbuch für die Kreise Grünberg, Schlesien und Freystadt, Niederschlesien
- bei Ancestry* (fälschlicherweise mit 1937/1938 bezeichnet, und nur unvollständig)
- bei der Digitalen Bibliothek von Zielona Góra/Grünberg (Zielonogórska Biblioteka Cyfrowa)
1936: Adreßbuch Verzeichnis der Einwohner von Neusalz (Oder) mit Alt Tschau, Freystadt N.-Schl. und Deutschwartenberg
Diese Adreßbücher für Freystadt für weitere Jahrgänge soll es im Präsenzbestand von Bibliotheken in den Originalausgaben geben:
1915: Adressbuch der Städte Neusalz a.O., Freystadt, Beuthen Bez. Liegnitz, Neustädtel u. Deutsch Wartenberg
- Universitätsbibliothek Breslau – Signatur: 26260 II
1925: Adressbuch der Städte des Kreises Freystadt. Neusalz, Freystadt, Beuthen, Schlawa, Neustädtel, ferner Deutsch Wartenberg
- Schlesische Bibliothek Kattowitz – Signatur: SLM II 347584
1928: Adressbuch der Städte des Kreises Freystadt. Neusalz, Freystadt, Beuthen, Schlawa, Neustädtel, ferner Deutsch Wartenberg
- Universitätsbibliothek Breslau – Signatur: 26260 II
1937: Adreßbuch für die Kreise Grünberg, Schlesien, und Freystadt, Niederschlesien
- Deutsche Nationalbibliothek – Zugriff nur im Lesesaal (Frankfurt/Leipzig) möglich
Digitalisate dieser Bücher habe ich leider (bisher) nicht gefunden bzw. sie sind nicht von außen zugänglich. Sachdienliche Hinweise nehme ich gern entgegen.
Spezielle Adressbücher
Eine weitere interessante Quelle sind „branchenspezifische“ Adreßbücher wie das
- Adressbuch der Zivil-Beamten in der Provinz Schlesien. Winter 1913
- Amtliches Landes-Adressbuch der Provinz Niederschlesien für Industrie, Handel, Gewerbe 1927
Zahlen, Daten, Fakten aus den Sekundärquellen
Die zentralen Fakten – Adresse und Beruf – zu meinem Urgroßvater Gottmannshausen, die sich in den Adreßbüchern der verschiedenen Jahre finden, ergeben chronologisch aggregiert dann folgendes interessantes Bild.
Die verschiedenen Wohnadressen, wie sie sich im Laufe der Zeit veränderten:
1913: Liegnitzer Straße 97
https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/5308/edition/4891/content
1922: Liegnitzerstraße 23
1927: Liegnitzerstraße 21
1933: Hessestraße 15
https://zbc.uz.zgora.pl/dlibra/publication/9903/edition/9790/content – Blatt 446
1936: kein Eintrag für Gottmannshausen
Und parallel dazu die berufliche Entwicklung meines Urgroßvaters im Laufe der Zeit:
- 1911: Postanwärter (diese Information habe ich aus dem Geburtseintrag meiner Oma)
- 1913: Postassistent
- 1922: Postsekretär
- 1927: Postobersekretär
- 1933: Oberpostschaffner
Das sieht nach einer typischen Beamtenlaufbahn bei der Reichspost aus.
Genealogische Ortsrecherchen
Die genealogischen Hauptquellen – Standesamtsregister und Kirchenbücher – sowie regionale Adreßbücher sind ein hervorragender Einstieg in die Erforschung eines Ortes und seiner Bewohner. Natürlich gibt es weitere tolle Quellen, die ich bei meinen Recherchen herangezogen habe.
Diese stelle ich im nächsten Teil der Beitragsreihe vor.
Vielen lieben Dank für diesen tollen Blog Beitrag! Und vielen Dank für ihre Recherche, endlich sehe ich eine Möglichkeit etwas über meine Familie väterlicherseits heraus zu finden! Viele Grüße aus Bielefeld