Der Duellist: Eine Zeitreise ins St. Petersburg des Jahres 1860

Beim alljährlichen Filmfest München hatte ich mir in diesem Jahr ein paar russische Rosinen aus dem Filmkuchen herausgepickt. Von den Filmen, die in meine engere Auswahl gekommen sind, haben interessanterweise ausgerechnet drei Filme mit russischem Bezug am besten in meinen Zeitplan gepaßt. Das ist mir erst im Nachhinein aufgefallen, als ich festgestellt hatte, daß neben den zwei russischen Filmen – Queen of Spades (Дама пик) und Der Duellist (Дуэлянт) – auch der dritte Film – der britische Lady Macbeth – auf einer russischen Vorlage (Lady Macbeth von Mzensk) basiert. Allen Filmen gemein ist jedenfalls eine extreme Blutrünstigkeit, Bildgewaltigkeit sowie auch eine enorme Destruktivität, Melancholie und Düsterkeit – letztere nach meinem Gefühl ein Ausdruck der legendären russischen Seele, mit der ich mich ja wegen meiner russischen Vorfahren auch schon länger auseinandersetze.

 

Gestern konnte ich also zum Abschluß des Filmfestes Der Duellist anschauen, der übrigens am 6.7.2017 auch regulär in deutsche Kinos kommt. Vom ersten Augenblick an war ich völlig fasziniert von diesem Film angesichts der famosen historischen Ausstattung und Kulisse (St. Petersburg 1860!) und der detaillierten Darstellung der strengen gesellschaftlichen Konventionen insbesondere im Hinblick auf das Phänomen Duell als Ritual zur Satisfaktion bei sogenannten Ehrverletzungen von höhergestellten Gesellschaftsmitgliedern.

 

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Während des Films stellte ich mir die ganze Zeit vor, wie meine eigenen Urgroßeltern – Julius Kruse und Wanda Kruse (geb. Skron) sich in der St. Petersburger Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts bewegt hatten. Mein Urgroßvater Julius (Jahrgang 1871) muß irgendwann in den späten 1880er oder erst in den 1890er Jahren von Dorpat/Tartu (Estland) nach St. Petersburg gekommen sein. Er war zunächst Soldat des russischen Reichs (wo, das muß ich unbedingt noch herausfinden), später dann Kaufmann und der Familienlegende nach auch Spirituosenlieferant des Zarenhofes. Meine Urgroßmutter Wanda Skron wurde 1879 in St. Petersburg geboren, aber stets als deutsche (preußische) Staatsbürgerin geführt. Auch wenn die erlebte Zeit meiner Urgroßeltern erst einige Jahrzehnte später als die des Films war, halte ich große Parallelen, z.B. in den gesellschaftlichen Gepflogenheiten, für sehr wahrscheinlich. Die Zeit der großen Umbrüche sollte ja erst später kommen.

Warum ich das ganze schreibe? Ich liebe einfach historisches Film- und Bildmaterial und vor allem Spielfilme, die es mir mit detailgetreuer Ausstattung und Handlung ermöglichen, mich in eine bestimmte Epoche, Zeitspanne und einen bestimmten Ort zurückversetzen zu können. Klar ist es auch im Falle von Der Duellist natürlich Fiktion, aber ein Körnchen Wahrheit wird immer drin sein. Und was letztlich für mich zählt: Neben all den recherchierten Daten und Fakten werden mir meine Vorfahren und ihre erlebte Welt greifbarer. Oder wie ich mal irgendwo gelesen habe: Putting the flesh on the genealogy bones.

 


Bildnachweise

 

 

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