War Opa in der Wehrmacht? Ein Leitfaden für die Spurensuche
Schon seit einigen Jahren treibt mich die Fragen um, wann, wo und wie sich meine Großeltern mütterlicherseits kennengelernt haben. Meine Großmutter, Hildegard Gottmannshausen, ist gebürtig aus Freystadt in Schlesien (heute Kożuchów). Mein Großvater Ernst Geckeler stammt aus Ödenwaldstetten auf der Schwäbischen Alb, also nicht gerade um die Ecke. Zwischen beiden Orten liegen mehr als 700km. Leider kann ich niemanden mehr dazu befragen. Wie komme ich da also weiter?
Das „wann“ läßt sich zumindest nach hinten hin eingrenzen: durch ihre Heirat am 01.04.1939 in Honau, Württemberg. Interessanterweise wurde mein erster Onkel dann am 11. April 1940 wiederum in Freystadt geboren.
Als nächste Frage stellt sich mir das „wo“. War mein Großvater – Beruf: Lehrer – vor dieser Zeit in Schlesien? War meine Großmutter – der Familienüberlieferung nach Kindergärtnerin – 1938/1939 oder früher auf der Schwäbischen Alb? Oder trafen sie sich gar an einem ganz anderen Ort?
Während sich das „wie“ ja deutlich schwieriger klären läßt, wollte ich mich lieber auf das „wo“ konzentrieren. Dazu habe ich mit Hypothese 1 – mein Großvater in Schlesien – begonnen. Und so stellte sich als erstes die Frage: warum war mein Großvater um 1938/1939 in Freystadt oder anderswo in der Gegend?
Auch wenn das deutlich vor Beginn des 2. Weltkrieges war, bot sich die naheliegende Idee, er könnte als Soldat oder zumindest Angehöriger der Wehrmacht vor Ort gewesen sein.
Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht
Um in dieser Hinsicht Licht in die Angelegenheit zu bringen, stellte ich im Februar 2017 eine Anfrage an die Deutsche Dienststelle (WASt). Denn diese Behörde gibt u.a. Auskünfte zu folgenden Themen rund um frühere Militärangehörige:
- Kriegssterbefälle
- Dienst- und Beschäftigungszeiten
- Schicksalsklärung und Verbleib
- Kriegsopferversorgung
- NS-Gewaltverbrechen
- Kriegsgräber
- Kriegsgefangene
- Staatsangehörigkeit
Die WASt war lange Zeit die allererste Anlaufstelle für alle Informationen, die Du rund um die Soldaten und Angehörigen der Wehrmacht sowie die personenbezogenen Folgen des Zweiten Weltkrieges kontaktieren solltest.
Seit 1. Januar 2019 ist die ehemalige WASt eine eigene Abteilung unter dem Dach des Bundesarchivs. Im Bundesarchiv finden sich nun militärische Unterlagen in mehreren Abteilungen, was zunächst recht unübersichtlich erscheinen kann:
- Abteilung Militärarchiv (MA) in Freiburg
- Abteilung Personenbezogene Auskünfte (PA) in Berlin-Reinickendorf (das war früher die Deutsche Dienststelle – WASt)
- Abteilung Bereitstellung (BE) in Berlin-Lichterfelde
Den besten Einstieg findest Du auf der Übersichtsseite des Bundesarchivs zu personenbezogenen Unterlagen militärischer Herkunft bis 1945.
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Eine neue Spur
Nachdem die WASt-Anfrage zu meinem Großvater über zwei Jahre lang aus meinem Fokus geraten war, bekam ich im März 2019 überraschend eine e-Mail vom Bundesarchiv mit einer sogenannten Erstauskunft: Mein Großvater war tatsächlich Wehrmachtsangehöriger.
Auch wenn die WASt die Personalpapiere (Wehrpass, Wehrstammbuch, Personalakte) nicht ermitteln konnte („vermutlich durch Kriegseinwirkungen verloren gegangen“), erhielt ich aus „dem sonstigem Schriftgut der ehemaligen Wehrmacht“ interessante Informationen:
Heimatanschrift: 1939 / 1944
Ehefrau: ./., Honau, Krs. Reutlingen / Wttbg., Schulstr. 72
Erkennungsmarke: -119- 1. Strassenbaubatl. 559
Truppenteile:
- laut Meldung vom Sept. 1939 1. Strassenbaubatl. 559
- laut Meldung vom 16.05.1944 Nachschubstab z.b.V. 279
Nun war ich erst einmal platt, aber auch sehr neugierig, was es mit einem „Strassenbaubataillon“ und einem „Nachschubstab“ auf sich hat. Und natürlich, ob es irgendwie geartete Spuren meines Großvaters geben könnte.
1. Strassenbaubataillon 559 der Wehrmacht
Eine erste einfache Anfrage in der Suchmaschine meiner Wahl (wie Du Google effizient für Deine Forschung nutzt, lernst Du in meinem Onlinekurs lernst Du in meinem Onlinekurs) gab unmittelbar Hinweise darauf, daß das 1. Strassen-Baubataillon 559 wohl im (heutigen) Polen eingesetzt worden sein kann.
Jetzt kamen natürlich haufenweise neue Fragen dazu: War mein Großvater deswegen in Schlesien? Was macht so ein Straßenbau-Bataillon? Und was ist ein Nachschubstab z.b.V.? Was hat mein Großvater dort genau gemacht?
Diese Fragestellungen sollte ich systematischer angehen. Aber wo kann ich dafür Unterstützung bekommen?
Wie finde ich Angehörige der Wehrmacht?
Bei meinen Recherchen haben sich mehrere Anlaufstellen unterschiedlichster Art herauskristallisiert: Archive, reine Informationsseiten und Online-Foren.
- Archive
- Informationsseiten und Veröffentlichungen
- Foren
NACHTRAG 6.5.2020:
Am 4.5.2020 hat Ancestry* die Sammlung Deutschland, im Kampf gefallene Soldaten, 1939-1948* veröffentlicht. Diese Datenbank besteht aus Daten aus dem Bestand Kartei der Verlust- und Grabmeldungen gefallener deutscher Soldaten 1939-1945 (-1948), Bundesarchiv B 563-2 Kartei des Deutschen Bundesarchivs (ehemals WASt).
Informationen zur Sammlung bei Ancestry*:
Informationen zu den Dokumenten
Die Sterbefälle sind meist handschriftlich auf vorgedruckten Karteikarten beurkundet. Je nach vorliegenden Informationen und Vordruck können folgende Angaben gefunden werden:
- Nachname, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort
- Truppenteil, Ersatztruppenteil, Nummer der Erkennungsmarke, Dienstgrad
- Sterbedatum, Sterbezeitpunkt, Sterbeort sowie Art des Verlustes
- Sofern bekannt: Datum der Beerdigung, Lage und Nummer des Grabes
- Verweis auf die Verlust-Listen-Nummer
Informationen zur Benutzung
Diese Sammlung ist durch eine Suchmaske erschlossen, in der u.a. nach dem Nachnamen, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort, Sterbedatum und Sterbeort gesucht werden kann. In der Box „Diese Sammlung durchsuchen“ kann zunächst der Kästchennummernbereich, danach die Kästchennummer ausgewählt werden.
Es empfiehlt sich, zunächst so viele Daten wie möglich zu Deinem Vorfahren in Erfahrung zu bringen. Sollte Dein Verwandter im Krieg verstorben oder sein Verbleib unbekannt sein, lohnt es sich allemal, zunächst eine Abfrage an die Ancestry-Datenbank* zu stellen, um ggfs. erste Informationen zu erhalten.
Dann solltest Du Dich mit dem/den entsprechenden Truppenteil(en) eingehender beschäftigen und schließlich ggfs. über Tagesbücher, Chroniken u.ä. mehr über persönliche Tätigkeiten und Erfahrungen Deines Vorfahren herausfinden.
Damit Du das Thema systematisch erforschen kannst, habe ich für Dich diese Tips zusammengestellt:
Checkliste – Angehörige in der Wehrmacht
Ich habe mich schon durch allerlei Seiten gewühlt und auch einige Eckdaten gesammelt. Nun werde ich Anfragen dazu beim Wehrkundearchiv und in dem einen oder anderen Online-Forum stellen. Mal sehen, was ich damit in Erfahrung bringen kann. Ich werde Euch auf dem laufenden halten.
Nachtrag 20.11.2021:
Vom Wehrkundearchiv habe ich mit Hilfe der Bataillonsnummer weitere Informationen sammeln können. Sie haben einen riesigen Fundus und sind sehr hilfsbereit. Bitte denkt auch daran, das privat aufgebaute und geführte Wehrkundearchiv mit einer Spende und/oder Unterlagen und Fotos zu unterstützen.
- Richter, Klaus Christian(Autor)
- von Senger und Etterlin, Stefan(Autor)
Wer sich sich weitergehend mit dem Thema Wehrmacht beschäftigen möchte, dem sei eines der zahlreich erschienenen Bücher empfohlen:
- Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945* (zahlreiche Bände)
- Die deutsche Wehrmacht: Dienstgrade und Waffenfarben des Heeres 1939-1945*
- weitere Literatur zur Wehrmacht bei Amazon*
- Literatur zur Wehrmacht bei buecher.de*
- Literatur zur Wehrmacht bei Thalia*
- Literatur zur Wehrmacht bei Hugendubel*
Du hast zu Vorfahren geforscht, die Angehörige der Wehrmacht waren? Dann teile hier gern Deine Erkenntnisse mit uns.
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Ostern, Familienbesuch, beim 85-jährigen Opa kommen Erinnerungen hoch.
Viele seiner Geschichten kenne ich schon, aber dieses Jahr wurmt mich das alles irgendwie. Mein Opa kann nicht sicher sagen, was genau sein Vater während der Kriegsjahre gemacht hat – und ich denke mir plötzlich: Dann finde ich das eben raus!
Dank der Hinweise hier ist meine Anfrage jetzt raus. Mal schauen. Danke!
Klasse Idee! Es ist eine spannende Reise. Viel Erfolg dabei wünscht Dir Anja
guten Abend,
der Betrag war für mich extrem hilfreich, vielen herzlichen Dank . Jetzt habe ich endlich eine Möglichkeit gefunden nach den Daten des Bruders meiner Urgroßmutter zu suchen. Auf Ancestry war da leider noch nicht viel zu finden. Vielleicht finde ich so ein wenig mehr über die Familie meiner Urgroßmutter heraus. herzlichen Dank !
Moin,
der Blog war höchst informativ und hat mir sehr weitergeholfen. Nun kenne ich den Werdegang meines Großvaters. Weiter so.
Vielen Dank
Ich hatte mich schon einmal kurz mit dem Thema befasst, mich dann aber zuerst mit anderen Recherchen beschäftigt. Jetzt wo ich wieder zum Thema Wehrmacht zurück komme, hole ich immer wieder deinen Blog- Beitrag hervor – quasi als Linkliste und Leitfaden. Sehr nützlich! Vielen Dank ?
Hallo Nadine,
vielen Dank für Deine Nachricht! Es freut mich, daß mein Beitrag hilfreich für Dich ist, und hoffe natürlich, daß Du noch viele weitere Anregungen hier bekommst.
Schön auch, daß Du an meinem Gewinnspiel teilgenommen hast – alle Gewinner wurden schon benachrichtigt. Vielleicht bist Du ja dabei? :-)
Viel Freude und Erfolg weiterhin bei Deiner Forschung!
Viele Grüße, Anja
Zur Information: Die Deutsche Dienststelle (WASt)ist aufgelöst. Sie heisst jetzt Abteilung PA und gehört zum Bundesarchiv. Bei Anfragen bitte immer den Benutzungsantrag des Bundesarchivs mit einsenden.
Ja, danke für den Hinweis. Das ist im Artikel ja schon erwähnt. Da die Bezeichnung WASt viel bekannter ist und noch sehr lange geläufig bleiben wird, verwende ich sie weiter. Auch auf der Webseite wird sie weiter erwähnt, so daß man mit dem Suchbegriff schnell zum Ziel kommt.
Spannende Geschichte, Glückwunsch zur Antwort von der WASt. Bevor ich dort allerdings eine Anfrage stelle, schaue ich erst einmal beim Volksbund Kriegsgräberfürsorge in der Gräbersuche online vorbei.
Ja, wenn ein Verwandter verstorben ist, ist die Gräbersuche des Volksbund Kriegsgräberfürsorge eine sehr gute Anlaufstelle. Dort habe ich den Sterbeort und die Grabstelle des Bruders meines Großvaters ausfindig machen können. Ich habe aber keine Infos zum Truppenteil bekommen, dafür muß man zur (ehemaligen) WASt. Am besten dort auch gleich eine Anfrage stellen, denn es kann ja durchaus länger dauern :-)