Rückblick auf den 70. Deutschen Genealogentag in Melle
Nun ist der 70. Deutsche Genealogentag auch schon wieder Geschichte.
Am vergangenen Wochenende – vom 5. bis 7. Oktober 2018 – trafen sich Ahnenforschung-Interessierte wieder zum jährlichen Stelldichein, diesmal im niedersächsischen Melle und eingeladen vom Arbeitskreis Familienforschung Osnabrück e.V. unter dem Motto Van Ossenbrugge in de wiete Welt.
Obwohl Melle von München eine Bahn-Tagesreise mit mehreren Umstiegen entfernt ist, habe ich es mir nicht nehmen lassen, meinen zweiten Genealogentag nach 2017 in Dresden zu besuchen.
Volles Programm für Familienforscher
Am Freitag Nachmittag ging es mit der Eröffnung der Ausstellung um 16 Uhr und der Eröffnungsveranstaltung um 17 Uhr im Atrium des Solarlux-Campus los.
Am Samstag startete dann um 9:30 das vielfältige Vortragsprogramm, das den ganzen Tag über parallel in 3 Räumen stattfand. So gab es natürlich zwangsläufig zeitliche Überschneidungen bei manch interessantem Thema. Schade.
Zunächst war ich im Vortrag von Dr. Thomas Brakmann vom Niedersächsischen Landesarchiv (NLA) in Osnabrück zum Thema Zur Arbeit nach Holland. Quellen zur Arbeitswanderung aus Osnabrück und dem Emsland im Niedersächsischen Landesarchiv in Osnabrück.
Hollandgänger aus dem Nordwesten Deutschlands
Das ist tatsächlich ein Thema, das mir als solches vorher in dem Umfang noch gar nicht so bekannt war. Zwar habe auch ich in einem Vorfahrenzweig Auswanderer aus dem heutigen nordwestlichen Niedersachsen (Oldenburg, Wardenburg) nach Amsterdam, von denen ich bisher nicht weiß, warum sie nach Holland gezogen sind. Aber daß es eine regelrechte Arbeitswanderung größeren Ausmaßes gab, war mir neu. Meine Verwandten sind jedenfalls dort geblieben und haben eingeheiratet.
Künstliche Intelligenz für Ahnenforscher
Mich als Computerlinguistin hat dann als nächstes ganz besonders der Vortrag von Dr. Günter Mühlberger von der Universität Innsbruck angesprochen. Das Thema war TRANSKRIBUS für Familienforscher? Neue Technologien aus dem Bereich der Handschriftenerkennung, des Keyword Spotting und der Digitalisierung.
Das noch bis Mitte 2019 EU-geförderte länderübergreifende Projekt entwickelt die Forschungsplattform Transkribus für die automatische Erfassung und Durchsuchbarkeit handschriftlicher Dokumente. Die Software kann man sich als Interessierte(r) kostenlos runterladen.
Am Stand von CompGen konnte man übrigens schon die Scan-App von Transkribus zusammen mit dem sogenannten ScanTent, einem kleinen lichtdurchlässigen Zelt, ausprobieren, mit denen ganz einfach Dokumente und Bücher mit dem eigenen Smartphone eingescannt werden können.
Ich werde das Werkzeug auf jeden Fall bald einmal ausprobieren und darüber berichten.
Deutsche Spuren in Brasilien
Für mich sehr spannend waren dann noch die Vorträge zum Thema Deutsche in Brasilien von Jorge Lauck sowie Ausgewählte digitale Forschungsmöglichkeiten zu Vorfahren im Osten von Jürgen Frantz, da ich ja selbst Verwandtschaft bzw. Vorfahren in Brasilien und aus früheren deutschen Ostgebieten habe.
Am Samstag Mittag hat sich dann beim Tweetup wie schon 2017 wieder der Twitter-affine Teil unter den Ahnenforschern für ein gemeinsames Foto und einen kurzen Plausch versammelt. Die Begleitung des Genealogentags auf Twitter ist unter dem Hashtag #70dgt18 zu finden.
Der Abschlußtag des Deutschen Genealogentags
Am zweiten und letzten Programmtag, dem Sonntag, gab es dann noch drei einstündige Vortragseinheiten bis zur Mittagspause.
Für mich begann der Tag mit dem sehr unterhaltsamen und informativen Vortrag von Professor Minert aus Utah zum Thema Volkszählungen in Deutschland von 1816 bis 1916.
Wichtigste Erkenntnis dort war, daß Aufzeichnungen zu Volkszählungen in Deutschland eine völlig unterschätzte und gleichermaßen vernachlässigte Quelle für Familienforscher sind. Sie können in vielen Fällen sogar fehlende Kirchenbücher kompensieren.
Und nützlich zu wissen: Meist kommen sie auch nicht mit dem Etikett „Volkszählung“ daher, sondern verbergen sich in Archiven und online auch gern unter Bezeichnungen wie Haushaltsvorstandsliste, Bürgerbuch, Hausliste, Untertanenverzeichnis, Seelenregister u.a. Bei FamilySearch finden sie sich auch unter den entsprechenden englischen Bezeichnungen wie list of inhabitants, list of voters, population numbers, residential registration und ähnlichen Ausdrücken.
Also, ich werde mich auf jeden Fall mal auf die Suche nach dieser Art von Quellen begeben, die es übrigens für alle 38 historischen deutschen Staaten gab, zumindest zwischen ca. 1816 und 1916.
DNA-Genealogie
Zu guter Letzt habe ich dann noch meine DNA-Kenntnisse vertieft beim spannenden 2. Teil des Vortrags von Norbert Bohrmann zum Thema DNA-Genealogie, Teil II, Matching und Software-Tools.
Besonders interessant fand ich das Thema falsche Matche und was man dagegen tun kann.
Die DNA-Genealogie ist hochkomplex und daher auch nichts, was man mal eben nebenbei macht. Aber mich hat das Thema ja total gepackt, und so werdet Ihr zukünftig mehr dazu lesen können.
Gute Organisation und ein paar Einschränkungen
Nichtsdestotrotz gibt es für mich leider auch ein paar Kritikpunkte. Für Teilnehmer, die nicht mit dem Auto angereist sind, war der Veranstaltungsort Solarlux-Campus mitten auf der grünen Wiese am Rande Melles recht umständlich zu erreichen, auch vom nächstgelegenen Hotel aus. Das sollte vorher etwas klarer kommuniziert werden, da ja nicht jeder mit dem Auto anreisen kann.
Problematisch fand ich auch die Verpflegung vor Ort. Außer einer kleinen Caféecke mit warmen und kalten Getränken gab es nur mittags einen Imbißwagen vor dem Gebäude. Etwas mehr Eßbares als Currywurst und Pommes wäre an einem langen Tag wie dem Samstag schön gewesen.
Nervig fand ich, daß es keinen vernünftigen Internetzugang im ganzen Gebäude gab. Bedingt durch den dicken Beton der Wände hatte ich – wie viele andere auch – keinen Funknetzzugang bzw. nur ganz schlechten Empfang. Und WLAN gab es nur rationiert für Aussteller. Sehr ärgerlich, wenn man die Veranstaltung als Teilnehmer zeitgemäß in den sozialen Netzwerken in Echtzeit begleiten möchte. Nun gut. Das sollte bitte zukünftig besser sein!
Alles in allem war es aber wieder ein sehr informativer und gelungener Genealogentag, der natürlich viel zu schnell vorbei war.
2019 wieder in Thüringen
Nach 2015 wird der kommende 71. Deutsche Genealogentag erneut in Gotha in Thüringen stattfinden. Da bin ich natürlich gern wieder dabei, zumal ich Gotha noch nicht kenne. Aber vielleicht sollte ich vorher noch meinen Thüringer Vorfahrenzweig besser erforschen…
Vielen Dank an das Organisationsteam des Genealogentages in Melle und auf ein Wiedersehen vom 13. bis 15. September 2019 in Gotha!