71. Deutscher Genealogentag 2019 in Gotha – eine Nachlese

Der September bot für Ahnenforscher ein volles Programm: kurz nach der MyHeritage LIVE in Amsterdam fand vom 13. bis 15. September 2019 der diesjährige – und inzwischen 71. – Deutsche Genealogentag in Gotha statt. Gotha in Thüringen war zwar nach 2015 erneut Ausrichter der größten deutschsprachigen Konferenz für Familienforscher, für mich war es aber der erste Besuch in dieser schönen Stadt.

Auch wenn am Wochenende rund um das reichhaltige Programm des Genealogentages erwartungsgemäß nicht viel Zeit für Stadtbesichtigungen blieb, freute ich mich, einen kleinen Eindruck der interessanten Gegend gewinnen zu können. Denn nicht zuletzt habe ich auch selbst Vorfahren aus der Region (FN Gottmannshausen).

71. Deutscher Genealogentag 2019 Gotha - Ausstellerforum | Foto: Anja Klein

71. Deutscher Genealogentag 2019 Gotha – das Forum der Aussteller | Foto: Anja Klein

Gotha – die (heimliche) Hauptstadt der Genealogie

Eröffnet wurde der Genealogentag am Freitagnachmittag wie schon 2015 wieder fulminant vom Schirmherrn der Veranstaltung und Oberbürgermeister der Stadt Gotha, Knut Kreuch. Überaus amüsant und kurzweilig präsentierte Herr Kreuch einen Bilderbogen berühmter Persönlichkeiten Gothas und ihrer Beiträge zum Weltgeschehen – immer mit einem Augenzwinkern.

War die Stimmung schon jetzt auf dem Höhepunkt, folgte mit den offiziellen eröffnenden Grußworten des Vorsitzenden der Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e. V. (DAGV), Dirk Weissleder, schon ein ziemlicher Dämpfer. Herr Weissleder mahnte nämlich zum einen an, daß der Umgangston in der „Szene“ inzwischen ein unerträgliches Maß angenommen hat, das so nicht weiter geduldet werden kann. Das bezog sich insbesondere auf den wohl ziemlich rauhen Umgang einiger Teilnehmer mit dem wackeren Organisationsteam des diesjährigen Genealogentages von der Arbeitsgemeinschaft Genealogie Thüringen e.V. (AGT).

Zum anderen mahnte Herr Weissleder an, daß die Mitgliederzahlen der genealogischen Vereine weiter schrumpfen, und diese große Schwierigkeiten hätten, den Nachwuchs für ihre Themen und das Engagement in Vereinsstrukturen zu begeistern.

Das wunderte mich ehrlich gesagt beides nicht. Stoße doch auch ich selbst immer wieder auf Widerstände gegenüber meinen und anderen innovativen Angeboten für Ahnenforscher. Und sei es in Mailinglisten oder auch Sozialen Netzwerken, meine Erfahrungen mit den Umgangsformen sind teilweise auch erschreckend. Ob die Ahnenforscher-Gemeinschaft das zukünftig im Hinterkopf behalten wird? So macht es jedenfalls wenig Spaß für Jüngere wie mich, sich überhaupt zu engagieren.

Während der Eröffnungsrede erwähnte Dirk Weissleder übrigens auch noch, daß es bis zu dem Zeitpunkt keinen Ausrichter für den 72. Genealogentag 2020 gäbe. Das hat sich dann zum Glück im Laufe der Veranstaltung noch geändert, so daß am Ende der Bayerische Landesverein für Familienkunde e.V. (BLF) als Ausrichter feststand.

Vorträge

Das Vortragsprogramm in der schönen Stadthalle Gotha war wieder thematisch breit aufgestellt. Am ersten Programmtag, dem Samstag, führte uns Dirk Weissleder in seinem Vortrag zu Die Bark Pribislaw (1847-1870) in die spannende Welt der maritimen Genealogie. Die sehr lebendigen Schilderungen der 3 großen Reisen des Schiffes mit Auswanderern in die USA und nach Australien und des Aufenthaltes an Bord haben mich echt begeistert. Die Biographie des Schiffes und die Biographien der Passagiere sind eng verwoben.

Danach besuchte ich zwei regionalspezifische Vorträge: zur Thüringer Auswandererdatenbank von Tino Herrmann von der AGT (siehe: auswanderer-thueringen.de) und von Eckhard Kupfer über Deutsche Auswanderer nach Brasilien. Beides sind Themen, die auch Familienzweige in meiner eigenen Forschung betreffen.

71. Deutscher Genealogentag 2019 Gotha - Deutsche Schrift Sütterlin Kurrent alte Schrift | Foto: Anja Klein

Die eigenen Namen üben | Foto: Anja Klein

Sehr viel Spaß gemacht haben die beiden Teile des Schreibkurses Deutsche Schrift mit Franz Neugebauer von der Sütterlinstube Dresden. Nach etwas Geschichte und Theorie im ersten Teil („Im Zweifelsfall ist es ein G“) ging es im zweiten Teil ans Üben. Denn wer die alte deutsche Schrift schreiben kann, kann sie auch viel besser lesen. Und ja, das stimmt, ich merke es schon nach den ersten Schreibübungen. Die Zusammenhänge werden klarer. Auch wenn ich mich wieder an den ersten Schultag erinnert gefühlt habe.

71. Deutscher Genealogentag 2019 Gotha - Deutsche Schrift Kurrent Sütterlin Familienforschung | Foto: Anja Klein

Ein w entsteht – wer die alte deutsche Schrift schreiben kann, kann sie auch besser lesen | Foto: Anja Klein

Von einem wahren Krimi für Familienforscher berichtete Katrin Heil von der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in ihrem Vortrag u.a. über die Sammlungen des Reichssippenamtes. Diese sind auf abenteuerlichem Wege nach Leipzig gekommen und bilden dort nun einen Großteil der genealogischen Quellen der Zentralstelle im Sächsischen Staatsarchiv.

Am zweiten Programmtag, dem Sonntag, hielt Ursula Krause einen sehr interessanten Vortrag zu Amerika-Auswanderern und wie man diese aufstöbern kann.

Danach folgten zwei Vorträge von Nobert Bohrmann zur DNA-Genealogie, Grundlagen im ersten Teil und weiterführende Themen wie Software-Tools im zweiten Teil.

Abgerundet wurden die Fachvorträge dann vom Vortrag Private Familienforschung, Citizen Science und kulturelles Gedächtnis: Auf dem Weg zu einer Leipziger Time Machine von Georg Fertig. Er stellte dort u.a. genealogische Mitmachprojekte vor, die historiscvhe Daten mit modernsten Technologien verknüpfen, z.B. Altes Leipzig.

Fazit und Ausblick

Alles in allem hat mir der Genealogentag gut gefallen. Das Ambiente war sehr schön und auch für Nicht-Autofahrer zu erreichen. Nur leider war die Stadthalle nicht so zentral gelegen, daß sich wirklich viel „Laufkundschaft“ dahin verirrt hatte. Es war zumindest mein Eindruck, daß man – wie schon in Melle 2018 – eher „unter sich“ war. Schade, wäre das doch eine tolle Gelegenheit gewesen, das Thema Ahnenforschung überhaupt sichtbarer zu machen und den Nachwuchs zu interessieren.

Im Vorfeld gab es überdies zahlreiche Probleme mit dem Anmeldeprozedere. Auch ich fand das unnötig kompliziert. Um die Ausrichter der Veranstaltungen dahingehend zu entlasten, sehe ich da auch den DAGV mehr in der Pflicht. Wäre es nicht sinnvoll, eine übergreifende IT-Infrastruktur, insbesondere für den Anmeldeprozeß und die Teilnehmerverwaltung,  zu schaffen?

Dankenswerterweise hat sich mit dem BLF ein Organisationsteam für den kommenden 72. Genealogentag gefunden. Dieser findet vom 28. bis 30. August 2020 in Tapfheim (Regierungsbezirk Schwaben) in Bayern unter dem Motto Die wechselvolle Geschichte des Rieses und Nordschwabens – vom Meteoritenkrater zum begehrten Siedlungsgebiet statt.

 

 

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Martin
Martin
4 Jahre zuvor

Vielen Dank für diesen tollen Einblick in den letzten Genealogentag! Das klingt sehr gut und hat mein Interesse geweckt. Der Termin für 2020 ist jetzt im Kalender eingetragen. Hoffentlich schaffe ich es dann auf meinen ersten Genealogentag ?

Barbara Schmidt
4 Jahre zuvor

Ich freue mich wirklich, dass der BLF sich als Ausrichter für 2020 gefunden hat. ich muss aber sagen, wenn ich das Motto sehe, fürchte ich doch eher eine lokale Veranstaltung als einen „Deutschen“ Genealogentag. Was den Umgangston angeht, stimme ich Dir und auch Herrn Weissleder zu. Überhaupt musste ich ihm in Gotha öfter zustimmend applaudieren als bei all den anderen vorherigen Tagen zusammen :)
Und ja, ich denke auch, die DAGV sollte mehr in die Pflicht genommen werden, was das drumherum angeht. Warum muss es jedesmal eine neue Webseite für den Genealogentag geben? Warum einen neuen Anmeldeprozess? Warum kann ich nicht einfach bei ebrite oder anderen Anbietern mein Ticket lösen? Es gibt die Angebote alle, man muss nur offen für neue Dinge sein.. ach ja, da wären wir wieder beim Thema :)

Sylvia Hertling
Sylvia Hertling
Reply to  Barbara Schmidt
4 Jahre zuvor

Es ist nicht nur ein „deutsches“ Problem. Hier in Alberta, Kanada, seh ich die Angst for dem Neuen und den Wiederstand die neuen Vorschlaege von oft juengeren Mitgliedern anzunehmen. Und dann wundern sich die verschieden Organisationen warum keine neuen Mitglieder bleiben. Ein Generations problem?